Neuerdings unberechenbar

Theoretisch weiß jeder, dass Krankheiten zum Leben genauso gehören wie das Sterben. Aber wirklich damit rechnen tut wohl kaum jemand. Außer mit einer Erkältung, wenn alle um einen rum bereits schniefen und husten und niesen. Der Überraschungseffekt ist also gewaltig, wenn man die Diagnose einer schweren und chronischen Krankheit erhält. Danach ist nichts mehr wie vorher. Damit hatte meine Mama doch recht.

Mitte September 2019 habe ich noch gedacht, ich wäre schlicht erschöpft. Seitdem sind 3 und ein halber Monat vergangen und ich glaube, so richtig habe ich die Diagnose immer noch nicht kapiert. Nie wieder werde ich einfach nur ein paar Tage Ruhe brauchen, damit alles wieder gut ist. Im Gegenteil: ich weiß seitdem nicht mehr, was in meinem Körper gerade vor sich geht und was er als nächstes mit mir vor hat. Das macht mich so ängstlich und unruhig, dass ich kaum noch allein sein kann. Und das macht mir am meisten zu schaffen.

Irgendwie habe ich immer funktioniert. Frau Grillenscheucher mit ihrem phänomenalen Gedächtnis, ihrer Rücksichtnahme, ihrem Organisationstalent, ihrem Verständnis für alle Sorgen und Nöte. Immer zu Diensten. Ich habe mit mir geschimpft, wenn ich meinen eigenen hohen Ansprüchen nicht genügte. Jetzt muss ich jeden Tag aufs Neue schauen, was überhaupt rein körperlich möglich ist.

Das Wasser wird aufgefüllt!

Schon bei meinem ersten Aufenthalt im Krankenhaus habe ich mich darüber gewundert, dass es zwei verschiedene Sorten von Plastik-Wasserflaschen gab. Also nicht nur welche mit bzw. ohne Sprudel, sondern zusätzlich für beide Sorten Wasser noch eine zweite Flaschenform. Aber erst bei meinem zweiten Aufenthalt habe ich erfahren, warum das so ist. Und der Grund war einfach nur eklig.

Die Frau, die für die Essensverteilung zuständig war, ertappte mich nämlich dabei, dass ich Wasser direkt aus der Flasche trank. Ich bekam sofort einen Anschiss, warum ich kein Glas benutze. 😮 Und dann sagte sie: „Wir füllen die Flaschen wieder auf, damit wir weniger Plastikmüll haben.“. Oh ja, das tun sie. Und zwar in der kleinen Stationsküche aus zwei dort installierten Hähnen (einer für stilles, einer für Wasser mit Sprudel), ohne (!!!) die Flaschen vorher in irgendeiner Form gereinigt oder gar desinfiziert zu haben. Örks! 🙁

Und das in einem Krankenhaus! An jeder Ecke gab es ein Desinfektionsstationen für die Hände, aber Wasserflaschen werden einfach aufgefüllt. Wie schnell ist so eine Flasche verwechselt. Selbst wenn man nicht direkt so wie ich daraus trinkt, können Keime jeglicher Art dran und drin sein. Wie ekelhaft und was für ein unnötiges Risiko!?

Fortan gab es für mich Wasserflaschen aus der Gynäkologie, die direkt gegenüber meiner Station lag. Dort nämlich gab es nur neue und noch fest verschlossene Wasserflaschen.

Die Geschichte von N.

N. ist eine der entzückenden MItpatientinnen, die Herr Grillenscheucher und ich bei den 3 Eichen kennengelernt haben. Sie war wegen einer Problemschwangerschaft dort im Krankenhaus und es war klar, dass es eine Frühgeburt werden würde. Das ist ja nun heutzutage nicht unbedingt so ein Drama. In diesem Fall aber schon.

Die Ärzte waren nämlich der Meinung, dass die Überlebenschancen des Kindes eher gegen Null gehen würden. Sie insistierten, dass N. und der Kindesvater über eine – in dem Fall sehr späte – Abtreibung nachdenken sollten. 😮 Die beiden trugen ihr Los extrem tapfer, ehrlich und offen.

Dann gab es doch noch eine weitere Untersuchung, die erst in einer bestimmten Schwangerschaftswoche durchgeführt werden kann. Ergebnis: der dafür zuständige Arzt befand, dass kaum ein Problem existiert. Infolgedessen war auch bis dahin gar keine Entscheidung über Abtreibung oder nicht zu treffen gewesen. Warum wurde bloß diese Untersuchung zuerst abgewartet? Da ist man doch nur noch fassungslos, oder?

Inzwischen ist N.s Kind geboren und wächst auf der Frühchen-Station stetig vor sich hin. Herr Grillenscheucher und ich bekommen viele Fotos über die Entwicklung per WhatsApp und freuen uns super mit den Eltern mit.

Einschlafhilfe Fernseher

Während meiner ersten Zeit im Krankenhaus funktionierten die Fernseher dort nicht. Man konnte natürlich eine Fernseh-Prepaid-Karte kaufen, aber eben nicht damit fernsehen. Täglich gab es motzende und genervte Patienten deshalb am Empfangstresen – zu Recht! Da ich zu Hause keinen Fernseher habe und zu der Zeit ja auch noch ziemlich mobil unterwegs war, war mir das egal. Eher taten mir die Mitpatienten leid.

Aber in der Zeit habe ich auch gelernt, dass es nachts ganz schön laut sein kann im Krankenhaus und es dann vielleicht doch angenehm ist, mit Kopfhörern auf den Ohren vom Fernseher bedöselt zu werden bis ich schlafen kann. Zumal ich ja nach der OP nicht gleich wieder durch die Krankenhausgänge stromern können würde. Also gab es für meine zweite Zeit im Krankenhaus das volle Programm (zum Glück funktionierten die Fernseher inzwischen wieder): Fernsehkarte, Kopfhörer, Donany, eigenes Kopfkissen.

Und das war gut so, denn längst hatte ich ja andere Zimmergenossen und diese bekamen mitten in jeder Nacht neue Infusionen gelegt – inklusive Einschalten des gleißenden Deckenlichts und lauter Gespräche mit dem Nachtpfleger. 🙁

Bei der Gelegenheit konnte ich zum Xten Mal in meinem Leben feststellen, dass mich das Fernsehprogramm überhaupt nicht mehr interessiert, sondern nur langweilt. Also kann ich beruhigt weiter auf so einen hässlichen Kasten in meiner Wohnung verzichten.

Warten, warten, warten

Nichts tut man in einem Krankenhaus so viel wie Warten. Warten aufs Essen, die Visite, Ärzte, Schwestern und Pfleger, Untersuchungen, Ergebnisse, Informationen. Vor allem auf letztere! Da fing mal alles so gut an mit dem Pieper, der nicht gepiept hat. Dann nach meiner Aufnahme mit der Abfrage unserer Handynummern, über die sie sich melden wollten, wenn wir gesucht werden, aber auch kein Handy klingelte. Stattdessen bekam ich immer wieder zu hören: „Frau Grillenscheucher, Sie wurden gesucht.“. 😮

Es war ein Ding der Unmöglichkeit, bei der vormittäglichen Visite von den Ärzten oder irgendwann am Tag von den Schwestern oder Pflegern eine Antwort auf die Frage, was anliegt, zu bekommen. Es war als träfen sie ihre Entscheidungen immer ganz spontan und als Patient hat man ja schließlich im Bett zu liegen und eben zu warten. Dabei wäre ich allerdings verrückt geworden. Ich musste raus aus diesem 3-Bett-Zimmer.

In dieser Anfangszeit war das Wetter meistens gut genug für Spaziergänge im Park, wo Herr Grillenscheucher und ich immer nach Bob, dem Baumeister sahen. Dieser spezielle Maulwurf hatte sich für seine Hügel nämlich hellen Sand und keine dunkle Muttererde ausgewählt und einmal konnten wir beobachten, wie ein Hügel ein wenig größer wurde.